Die Tresen-Kolumne: Käse verkaufen
Käse verkaufen
Es ist beschlossen. Ich werde meine Stelle am Tresen, (also der manifeste Tresen, nicht dieser virtuelle Tresen) zum Frühling an den Nagel hängen, die Handtücher zusammenfalten und nach Hause gehen. Noch einmal das Fass wechseln, den alten Gästen die Hände schütteln, den Tresen ein letztes Mal sauber machen. Vielleicht muss ich diese Kolumne dann eh auch umbenennen in „Der unbestimmte Sitzplatz“. Ich gehe mit zwei weinenden Augen aber trotzdem ist mir ein Stein vom Herzen gefallen, als der Gedanke endlich raus war. Ich will selber wieder mehr in Bars sitzen, will mit Freund_innen dort sein und nicht „nur“ Besuch bekommen. Ich werde die Abende vermissen, an denen ich „organischer Intelektueller“ für manch eine_n sein konnte, im Sinne Gramscis, wo man einen Moment lang eine beratende, mitfühlende, belehrende oder vernetzende Funktion im Leben Fremder hat. Vielleicht steh ich eh bald wieder irgendwo und kann es nicht lassen, wer weiß. Dann war ich fast drei Jahre lang Barkeeper, eine nicht besonders beeindruckende Zahl. Länger habe ich allerdings noch nie durchgehalten. Zwei, drei Jahre, dann legt sich bei mir irgendwie ein Schalter um und ich habe Fluchtgedanken. Und so war ich auch schon im Gartenbaucenter, war Theaterbeleuchter, Fotolaborant, Käseverkäufer, Abwaschhilfe, Nachhilfelehrer, Baustellentischler, Gallery-Manager, Messebauer, Gastronom. Und davor und dazwischen und danach auch immer ein bisschen Künstler, ein bisschen Kurator, ein bisschen Autor. Das bleibt man auch dann, wenn man gerade eigentlich Pfannkuchen verkauft. Andersherum wirds schwierig: Niemand würde in einer Galerie sagen: „Diese Arbeit ist von der Pfannkuchenverkäufer_in XY. Für ihre neue Serie „untitled (red square)“ hat sie sich vom Material Pfannkuchen emanzipiert“. Obwohl: Einen Versuch wäre es schon wert, das Gewicht zwischen ideellem und realem Beruf umzukehren. Ich bin eigentlich Barkeeper, aber um Geld zu verdienen, schreibe ich Texte und mache Ausstellungen. Leuchtet total ein.