How to work
Kein anders Wort bringt die komplizierte Gemengelage der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens so sehr auf den Punkt, wie jenes, welches quasi Gefahr und Chance in sich vereint: zusammen. Nur zusammen kann die Pandemie bekämpft, gleichzeitig muss das physische Zusammensein unbedingt vermieden werden. So war es auch im Titel des halböffentlichen Recherchefestivals, das ab Ende Juni 2020 als Kooperation des Studios Experimentelles Design von Prof. Jesko Fezer mit dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin in dessen Veranstaltungsreihe Design Lab veranstaltet wurde, jenes „Zusammen“, das sich in den Vordergrund drängte: (How) do we (want to) work (together) (as (socially engaged) designers (students and neighbours)) (in neoliberal times)?. Und auch dort war es so, dass die Studierenden, Gäste und Interessierten sich nur mit dem sicheren Abstand digitaler Plattformen in Talkrunden, Präsentationen, Debatten und Workshop begegnen konnten – samt aller technischen Vor- und Nachteile, die vermutlich auch zur überschaubaren Teilnehmer*innenzahl beitrugen.
Drei Wochen lang lief das Festival online und bewies seine Stärke vor allem darin, den theoretischen Diskurs mit dem Konkreten, gar Persönlichen zusammenzubringen. Das manifestierte sich sowohl inhaltlich als auch in kleinen Details, die zur neuen Normalität mit dazu gehören scheinen, als etwa Lucy Kimbell ihren Vortrag pünktlich beenden musste, um ihr Kind zu Bett zu bringen. Im Dialog mit Guy Julier, Professor für Design Leadership an der Aalto University, hatte die Direktorin des Instituts für Social Design der University of Arts London zuvor über Realitäten, Chancen und Möglichkeiten von Sozialem Design gesprochen, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Situationen für Studierende wie Designer in Großbritannien und Finnland.
Die Perspektive für Deutschland hatten bereits eine Woche zuvor Valentina Karga und Jesko Fezer in ihrem Evening Talk unter dem Titel „Discussing Towards an Ethics of Care“ vorgelegt. Auf Grundlage eines Papers verfasst von Esteve Corbera Elizalde, Isabelle Anguelovski, Jordi Honey-Rosés und Isabel Ruiz-Mallén, ging es darum, wie unter den gegebenen Umständen der Pandemie, die – wie Karga konstatierte – nur das sichtbar gemacht hätten, was an Ängsten und Krisen bereits zuvor dagewesen war, mit Produktionsdruck, prekären Lebensbedingungen, individuellen wie strukturellen problematischen Situationen umgegangen werden könne.
Im breiteren Kontext traten in diesem wie in weiteren Vorträgen die Bedingungen (unsichtbarer) Fürsorgearbeit in den Fokus, sei es in professioneller oder privater Hinsicht, unter anderem auch im Talk von Felix Vogel, hier ergänzt um die grundsätzliche Frage der Unterscheidbarkeit von produktiver und reproduktiver Arbeit sowie um die Analyse der neoliberalen Mechanismen von Wissensproduktion. Social Design hat die Chance, in diesem Kontext Missstände zu thematisieren, bestenfalls zu einem Wandel beizutragen oder – und auch das wurde mehrfach diskutiert – das Gegenteil zu bewirken und mit intelligenten Lösungen dazu beizutragen, in Strukturen innewohnende Ungerechtigkeit zu stabilisieren, anstatt zu verändern.
Wie Soziales Design in Bezug auf Fürsorge indes konkret aussehen kann, war etwa im Vortrag der HFBK-Absolventin Skadi Sturm zu erfahren. Per Video-Talk öffnete sie das Archiv der Begegnungen. Dabei handelt es sich um acht Koffer, gefüllt mit künstlerischen Interpretationen verschiedener Workshops, die am M.1 in Hohenlockstedt unter der kuratorischen Leitung von Sascia Bailer gezielt für Menschen stattfanden, die privat oder beruflich Care-Arbeit leisten. Die Koffer sind nun in der Gemeindebücherei ausleihbar und damit das beste Beispiel für das, was zum Gelingen von Sozialem Design elementar dazu gehört: Nahbarkeit, Verständlichkeit und Inklusion.
Week #1: Creative Work and Exhaustion, Pelin Tan (Architektin, Kunsthistorikerin, Mardin), Silvio Lorusso (Künstler, Designer, Forscher, Rotterdam), Dr. Claudia Banz (Design Kuratorin Kunstgewerbemuseum Berlin), Velvetyne Type Foundry (Grafiker*innen Paris), Airi Triisberg (Kuratorin, Autorin und Pädagogin, Tallinn), IG Bildende Kunst (Wien), Designers + Cultural Workers Union (Artiusts, Designers, London), Hans-Christian Dany (Künstler, Autor, Hamburg), Brave New Alps, Martina Dandolo, Flora Mammana (Designer*innen, Forscher*innen, Rovereto), Arts of the Working Class (Obdachlosenkunstzeitschrift Berlin), Nobody is an island (Designer*innen, Wien), Florian Schmidt (Professor für Designkonzeption und Medientheorie, Dresden), Sebastian Schmieg (Künstler, Berlin) , Angela McRobbie (Department Media, Communications and Cultural Studies, Goldsmiths University of London)
Week #2: Care Work and Precarity, Studiengruppe Informationsdesign (Burg Giebichenstein, Halle), Vivian Tauchmann (Social Designerin, Leipzig), Onomatopee (Amy Gowen & Joanette van der Veer, Kuratorinnen, Publizistinnen, Eindhoven), Prof. Valentina Karga (HFBK Hamburg), Felix Vogel (Kunsthistoriker, Basel), Manuela Zechner (feministische Kulturarbeiterin und Forscherin), Emma Dowling (Sozilogin, Ökonomin, Universität Wien) , Lisa Baumgarten (Designerin, Berlin), Poliklinik Veddel (Mediziner*innen, Sozialarbeiter*innen, Aktivist*innen, Hamburg), Silvia Federici (Philosophin, Aktivistin, New York)
Week #3: Collaborative Work and Exploitation, Silke Helfrich (Autorin, Forscherin Aktivistin, Jagsttal ), Peter Kuchinke (Glasmacher Derenburg), In the Meantime (HFBK Hamburg), Lucy Kimbell (Social Design Institute, Central Saint Martins, London) & Guy Julier (Professor of Design Leadership Aalto University, Helsinki), Experimentelle Klasse (HFBK Hamburg), Klasse Johanna Dehio (Gastprofessorin Design HFBK Hamburg), Vio.me (besetzte Seifenfabrik, Thessaloniki), Madygraf (arbeiter*innengeführte Druckerei, Buenos Aires) Harald Trapp (Soziologe, Architekt, Wien), Rosario Talevi (Architektin, Parastic reading room, Berlin), Casco Art Institute & The Outsiders (Designer*innen, Künstler*innen, Utrecht, Stavros Stavrides (Nationale Technische Universität Athen)
Text: Beate Scheder