Lasst uns über Sprachen reden!
Je internationaler die HFBK Hamburg wird, desto virulenter wird die Frage, in welcher Sprache wir miteinander kommunizieren. Und Englisch ist eben nicht immer die Lösung. Das zeigen die vielfältigen Antworten von Lehrenden, Studierenden, Alumni und Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die wir zu diesem Themenkomplex befragt haben.
Pia Stadtbäumer (Professorin für Bildhauerei)
In meiner Klasse sind aktuell Studierende aus 10 Nationen vertreten. Darunter gibt es Studierende, die zwar Deutsch, aber kein Englisch sprechen. Andere sprechen ausschließlich Englisch. Und dann gibt es Studierende, die sich gerne im Englischen erproben, andere fühlen sich dagegen sehr unsicher und melden sich in den Gruppengesprächen selten zu Wort. Das Thema der Verständigung ist im Hochschulalltag also wirklich komplex. Ich versuche, die Gespräche in der Klasse auf Englisch zu führen, hin und wieder springen wir ins Deutsche – und wieder zurück. Das ist ein ganz schöner Sprachenmix, der aber irgendwie gelingt. Was mir aber auffällt ist dass nicht nur das Deutsch-Niveau, sondern auch die Englischkenntnisse sehr stark variieren, was dazu führt, dass wir uns in einer „vereinfachten“ Sprache unterhalten. Das kann auf der einen Seite etwas Demokratisierendes haben, führt aber auch zu einer „Verflachung“ der Diskurse. Ich fände es gut, wenn wir sowohl Deutsch- als auch Englisch-Sprachkurse für Studierende, Lehrende und Mitarbeiter*innen der Verwaltung anbieten würden, damit eine wirkliche Kommunikation und Verständigung untereinander gelingen kann. Grundsätzlich finde ich es gut und richtig, dass die Hauptunterrichtssprache an der HFBK Hamburg Deutsch ist, es aber daneben auch viele englischsprachige Angebote gibt. So erhalten Studierende, die nach Deutschland kommen, die Chance, die Sprache des Landes zu erlernen und an gesellschaftlichen Debatten teilzuhaben und diese mitzugestalten. In Deutschland werden diesbezüglich – und darauf verweisen Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah in ihrem Buch (Englisch in Berlin) (siehe auch den Hinweis in der Reading List) – starke Doppelstandards angelegt. Während wir von Migrant*innen verpflichtende Deutschkurse und Sprachnachweise einfordern, wird einer gut ausgebildeten „Expat-Community“ zugestanden, dass sie ausschließlich Englisch spricht. Generell finde ich die stetig wachsende Internationalität in der Kunst und an der Hochschule fantastisch und es macht großen Spaß, so viele Studierende aus unterschiedlichen Ländern bei uns zu haben. Aber dennoch empfinde ich es als wichtig, das Lokale im Globalen stark zu machen – und das geht zu einem Großteil eben auch über Sprache.
Ingo Offermanns (Professor für Grafik, Vizepräsident mit Verantwortungsbereich Internationales und Diversität)
Ich versuche meine Lehrangebote weitestgehend in englischer Sprache anzubieten, wobei durchaus auch Texte in deutscher Sprache gelesen und besprochen werden. Und sollte keine Notwendigkeit bestehen, Englisch zu sprechen, weil alle Beteiligten (besser) Deutsch sprechen, wird natürlich Deutsch gesprochen. In meiner Klasse wird zu 70 Prozent Englisch und zu 30 Prozent Deutsch gesprochen, wobei alle Studierende dazu ermutigt werden, je nach persönlicher Präferenz, zwischen Deutsch und Englisch zu wählen. Dieses Vorgehen hat sich in den letzten Jahren gut bewährt, weil wir so die meisten Studierenden erreichen und in den Klassendialog einbinden können. Auch wenn ich selber ganz ordentlich Englisch spreche, komme ich immer wieder an die Grenzen meiner Vermittlungsfähigkeit. Das ist natürlich nicht verwunderlich, weil man auch in seiner jeweiligen Muttersprache an Grenzen stößt, wenn es darum geht, über visuelle Sprache sowie künstlerische Erfahrungen und Prozesse zu sprechen. Der zusätzliche Umweg über eine Fremdsprache kann darum herausfordernd bis ermüdend, und im schlimmsten Fall missverständlich sein. Dennoch weiß ich auch um das (kreative) Potenzial translatorischer Prozesse, weswegen ich mich selber immer wieder motiviere, die Herausforderung anzunehmen. Wichtig ist es deutlich zu machen, dass alle Studierenden entweder im Deutschen oder im Englisch halbwegs sattelfest sind. Ist das nicht gegeben, ist ein konstruktives Studieren nicht möglich. Dennoch würde ich alle Hochschulmitglieder, die nicht deutsche Muttersprachler*innen sind, motivieren wollen, zumindest etwas Deutsch zu lernen, um möglichst viel von ihrer Zeit an der HFBK Hamburg mitzunehmen. Schließlich vermittelt Sprache sehr viel über das Leben und Denken der Kultur, in der man sich bewegt.
Cristina Rüesch (Master-Absolventin bei Prof. Jutta Koether 2022)
Studierende, die sich nicht in deutscher Sprache ausdrücken können, sowie solche, die kein Englisch beherrschen, haben Schwierigkeiten, Vorlesungen, Seminaren oder Werkstattkursen in der jeweils anderen Sprache zu folgen und an den Diskussionen teilzunehmen. Sowohl deutschsprachige als auch englischsprachige Lehrveranstaltungen schließen jeweils eine Gruppe von Studierenden aus. Insbesondere in Prüfungssituationen stehen Absolvierende vor der Herausforderung, sich für eine der beiden Sprachen zu entscheiden, wenn die Prüfungskommission entweder kein Deutsch oder kein Englisch versteht. Ich selber besuche lieber deutschsprachige Angebote, weil ich mich in der deutschen Sprache besser artikulieren kann. Ich wünsche mir, dass das Thema Sprachen an Hochschulen vielschichtiger betrachtet wird. Während meiner Studienzeit an der HFBK Hamburg habe ich erlebt, dass Diskussionen darüber geführt wurden, ob die Eröffnungsrede auf Deutsch oder Englisch gehalten werden sollte, ob Gruppenkorrekturen in deutscher oder englischer Sprache erfolgen sollten und ob die Absolvent*innen-Ausstellung in Graduate Show umbenannt werden soll. Die englische Sprache gilt als weltoffener im Vergleich zu Deutsch. Dabei entsteht für mich der Eindruck, dass vorausgesetzt wird, dass alle (insbesondere internationale Studierende) Englisch beherrschen sollen. Es wird jedoch oft vergessen, dass dies für internationale Studierende eine doppelte Hürde darstellen kann. Um das gesamte Lehrangebot der Hochschule nutzen zu können, müssen zwei Sprachen statt nur einer erlernt werden. Dennoch sehe ich es als positive Entwicklung an, dass die HFBK Hamburg sich langsam auf Zweisprachigkeit zubewegt. Eine Sprache sollte die andere dabei nicht ausschließen. Es ist wichtig, bei einem komplexen Thema wie diesem, nicht in einem Englisch-oder-Deutsch-Dualismus zu verharren. Letztendlich besteht der Wunsch darin, eine Bildungseinrichtung wie die HFBK Hamburg so inklusiv wie möglich zu gestalten, was in einer exklusiven Welt eine komplexe, aber notwendige Aufgabe darstellt. Zum Thema Zweisprachigkeit wünsche ich mir außerdem, dass nicht nur deutschsprachige Lehrende Englisch lernen, sondern auch, dass sich englischsprachige Lehrende die Mühe geben, Deutsch zu lernen.
Eike Pockrandt (Leitung Akademische Angelegenheiten / internationale Kooperationen)
Sprache ist unendlich varianten- und facettenreich. Wir alle passen unsere Sprache konstant an unser Gegenüber an – das ist ganz normal: Ich spreche mit einem Kleinkind anders als mit einer Kollegin, mit meinen Eltern anders als mit Freunden. Ich verändere meine Sprache automatisch in Tonhöhe, Betonung, Idiomen und Formalität. Wenn ich mir gelingende Verständigung wünsche, gehört dazu auch, dass ich prinzipiell bereit bin, in einer anderen Sprache zu sprechen oder, wenn das nicht geht, mich anders verständig zu machen oder eventuell Hilfe zu holen. Das kann man – davon bin ich überzeugt – von beiden Seiten einer kommunikativen Situation erwarten. Ich denke, jedes Mitglied einer Universität hat die Pflicht, sich um gelingende Verständigung zu bemühen, so auch ich! Der Alltag in einem multilingualen Umfeld kann herausfordernd sein, aber zahlreiche Untersuchungen belegen, dass zum Beispiel Kreativität und Problemlösekompetenz langfristig gefördert werden. Dennoch: Wenn in einer Klasse, einem Seminar oder einem Gremium sagen wir die eine Hälfte der Gruppe nur Deutsch versteht und die andere Hälfte nur Englisch, kann das auf Dauer eine große Hürde darstellen. Es gibt zwar tolle pädagogische Konzepte für solche Fälle, als Kunsthochschule müssen wir aber darauf achten, dass diese nicht die künstlerische Lehre und Forschung beeinflussen. Eine Hürde für gelingende Verständigung ist für mich auch, wenn eine Person a priori Forderungen an die Kommunikation mit einer anderen Person stellt, zum Beispiel sagt: Mit mir darf nur Englisch gesprochen werden, da ich kein Deutsch spreche. Mehrsprachigkeit ist, global gesehen, die Regel und nicht die Ausnahme. In Deutschland wird Einsprachigkeit oft als selbstverständlich angesehen, hat sich aber erst seit dem späten 18. Jahrhundert etabliert. Ein Blick in die Nachbarstaaten Belgien und die Schweiz zeigt ein grundlegend anderes Verständnis von „Nationalsprache“ – und noch umfassender, aber auch komplexer, wird das Bild, wenn wir uns zum Beispiel die Sprachsituation an unseren neuen Partneruniversitäten in Kampala und Lagos ansehen: In Nigeria gibt es beispielsweise vier Nationalsprachen, aber daneben 300 weitere gesprochene Sprachen. Deshalb wünsche ich mir, dass wie bisher die großen Vorteile der Ressource „Multilingualität“ an der HFBK Hamburg wertgeschätzt werden, mit großem Verständnis und Geduld füreinander, in dem Bewusstsein, dass gelungene Verständigung so viel mehr ist als dieselbe Sprache zu sprechen.
Rajkamal Kahlon (Professor of Painting)
I teach in English. I have at least four students who speak only German but can understand English. Two are from Iran and two are mother-tongue German speakers. Each participates in German and I can understand them. The other students switch between English and German as needed. I also use empathy to help bridge a lot of communication and supersedes language. Having English be the main language allows the international students (a growing majority of my class) to participate more fully than they might in other classes only conducted in German. It seems to work as my class is at capacity with up to 50 students including guests. It is important to welcome the existing multilingualism of the university members.
Kai Cui (Künstlerischer Werkstattleiter Keramik/Gips)
Ich biete meine Lehrveranstaltungen mehrheitlich auf Deutsch an, hin und wieder wechsele ich ins Englisch (das Verhältnis ist etwa 80 zu 20 Prozent). Falls Studierende kein Deutsch sprechen, füge ich einen Hinweis auf Englisch an oder greife auf Zeichnungen, Skizzen oder Bilder zurück. Schwierig wird es, wenn Studierende weder Deutsch noch Englisch sprechen. Das kostet dann immer sehr viel Zeit und so lässt sich mein Lehrplan einfach nicht durchführen. Ich würde mir mehr Englisch-Kurse wünschen, damit ich mein Englisch verbessern kann.
Tim Albrecht (Künstlerischer Werkstattleiter Grafik und Digitaler Satz)
Grundsätzlich biete ich meine Kurse auf Deutsch an. In kleinen Gruppen wechsle ich aber bei Bedarf – und so gut es geht – vollständig auf Englisch. In größeren Gruppen wechsle ich bei Korrekturen oder Diskussionen mit einzelnen Studierenden ebenfalls ins Englische. Allerdings ist mein Englisch nicht gut genug, um in meinen Kursen immer auf dem hohen inhaltlichen Niveau zu kommunizieren, wie ich es auf Deutsch kann. Bei einer technischen Kommunikation (zum Beispiel, wenn es um Softwareanwendungen geht) ist das kein großes Problem. Wenn es aber um inhaltliche und komplexere Fragen zu Typografie, Gestaltung oder Layout geht, führt der Wechsel ins Englische oft zu einer einfacheren Kommunikation zulasten der Tiefe und Vielschichtigkeit – zumindest empfinde ich das so. Ich halte einen bedarfsorientierten und sich auf individuelle Situationen und Bedingungen einstellenden Umgang mit Multilingualität, wie er in der HFBK Hamburg in der Regel praktiziert wird, weiterhin für sinnvoll. Aber immer mal wieder leise daran zu erinnern, dass Deutsch die primäre Sprache ist, halte ich für sinnvoll; auch als Anreiz für alle Studierenden und Lehrenden, sich um ein Verstehen der deutschen Sprache zu bemühen. Denn Internationalität automatisch mit Englisch gleichzusetzen, ist im Hinblick auf die Diversität der (sprachlichen) Herkünfte oft zu kurz gedacht.
Samira Alizadeh Ghanad (Master-Studentin bei Prof. Dr. Bettina Uppenkamp)
Da an der HFBK Studenten*innen aus den verschiedensten Ländern der Welt studieren, von denen einige nur wenig Englisch und überhaupt kein Deutsch sprechen, ist es für mich schwer, mit diesen Studenten*innen zu kommunizieren. Ich selbst habe zwei Jahre lang an der Diakonie und der Volkshochschule jeden Tag bis Deutsch-Niveaustufe B1+ gelernt und auch an zwei Deutschkursen der HFBK Hamburg teilgenommen bis zum B2-Niveau. Allerdings ist mein Deutsch nicht perfekt, aber ich gebe immer mein Bestes und versuche es zu verbessern. Ich besuche lieber deutschsprachige Angebote in der Hochschule, weil ich es besser verstehen kann und mein Englisch nicht so gut ist. Darum kommuniziere ich am liebsten auf Deutsch, aber wenn es jemand nicht kann, versuche ich mich auch auf Englisch zu verständigen. Allerdings ist das manchmal wirklich schwierig, da es zu Missverständnissen kommen kann. Meine Muttersprache ist Farsi und ab und an ergibt die Übersetzung dessen, was in meinem Kopf auf Farsi vorgeht, und wie ich es übersetzen möchte, eine ganz andere Bedeutung. Auf Persisch sagen wir zum Beispiel zu einer Person, die tagsüber viel gearbeitet hat: Sei nicht müde. Aber wenn ich das zu jemandem in der Werkstatt sage, wird es so verstanden, als würde ich befehlen, mehr zu arbeiten, also etwas ganz anderes, als ich meine. Da die HFBK Hamburg so viele internationale Studierende, Lehrende und Professor*innen hat, dachte ich immer, wie gut es wäre, wenn man das Potenzial der verschiedenen Sprachen nutzen könnte und alle Beteiligten die Möglichkeit hätten, auch in anderen Sprachen als Deutsch oder Englisch Grundlagenkurse zu geben oder einfach für Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich habe mir zum Beispiel immer gewünscht, dass es an der Hochschule eine Person gibt unter den Lehrenden oder Studierenden, die Farsi spricht und bei der ich mal etwas Nachfragen könnte, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Ich fände es toll, wenn es am ersten Tag des Studienanfangs eine solche Möglichkeit gäbe.
Jens Klaus (Technischer Leiter, Gebäude- und Baumanagement)
Die Kommunikation auf Englisch mit Lehrenden und Studierenden funktioniert im Hausservice in der Regel gut. Allerdings sind meine Englischkenntnisse und die meiner Kolleg*innen begrenzt, über weitere Fremdsprachenkenntnisse verfügen wir im Team leider nicht. Hin und wieder holen wir uns Unterstützung durch Sprach-Apps auf dem Smartphone. Wichtig ist, dass es inhaltlich passende Sprachkurse sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gibt, und dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, diese Lernangebote zu nutzen.
Katrin Nöprick (Leitung Studierendenangelegenheiten) / Mareike Stolley (Leitung International Office)
Uns ist es wichtig, so gut wie möglich auf die Sprachanforderungen und -kenntnisse der Studierenden und Lehrenden einzugehen. Deshalb stellen wir zahlreiche Formulare und Informationen zweisprachig (deutsch/englisch) zur Verfügung. Sofern sich in persönlichen Gesprächen mit Studierenden unüberwindbare Kommunikationsbarrieren ergeben, was aber eigentlich Ausnahmefälle sind, ziehen wir Kolleg*innen zur Unterstützung heran. Oder wir versuchen, die Anliegen per E-Mail zu formulieren und zu klären. Denn auf diesem Wege lassen sich fehlende Sprachkenntnisse in Bezug auf Fachbegriffe durch Übersetzungsprogramme und professionelle Übersetzungen ausgleichen. Uns ist es wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen – egal in welcher Sprache. In der Praxis gelingt diese Annäherung durch Offenheit und Zugewandtheit aller Beteiligten.
Sasha Levkovich (Master-Studentin bei Prof. Dr. Bettina Uppenkamp und Prof. Simon Denny)
Ich muss sagen, dass ich an der HFBK Hamburg keine sprachlichen Hürden habe, da ich seit meinem 17. Lebensjahr in Deutschland lebe. Womöglich benutze ich öfter Vernacular oder Jargon in kontextuell unpassenden Situationen. Da weder Deutsch noch Englisch meine Muttersprachen sind, sind mir bestimmte Mehrdeutigkeiten von Formulierung nicht unbedingt bekannt, so dass ich das Code-Switching vielleicht nicht immer hinbekomme. Ich schreibe am sichersten auf Englisch, bei dem gesprochen Wort greife ich auf Deutsch zurück. Ich fühle mich wohler bei deutschsprachigen Angeboten, in denen es um Diskussion und Austausch geht (wie in Klassengesprächen), da ich es öfter im Alltag verwende und das Vokabular fällt mir schneller ein. Die begleitenden Texte zu Seminaren lese ich trotzdem auf Englisch. In meiner Kommunikation richte ich mich nach den Bedürfnissen der mir gegenüberstehenden Person*en. Mir fällt es schwer, Wünsche an die HFBK Hamburg zu äußern, da das Thema Sprache so groß und umfangreich ist. In den letzten Jahren spüre ich jedoch einen Wandel im Kunst- und Kulturbereich: Texte und Romane werden mit orthografischen und grammatikalischen Fehlern veröffentlicht, multilinguale Musiker*innen bekommen breite Anerkennung. Zu der Zeit, als ich immigrierte, war das noch unvorstellbar. Die Prämisse war, sich soweit es geht zu integrieren, oder man würde marginalisiert. Die linguistische Sichtbarkeit, die uns zum Beispiel Migra-Rap-Künstler*innen oder Post-Migrant/Migrant-Literatur-Schaffende gegeben haben, ermutigt und unterstützt. Institutionen können Plattformen für diese Entwicklungen bieten, Platz schaffen und geben, als Zeichen der Normalität und nicht als Tokenism.
Simon Denny (Professor of Time-based Media)
One of the key focuses for my class is the international practice – this is reflected in the works we look at, the guest artists and thinkers we invite to participate in the program, and the conversations we have. As a group of diverse artists, we speak from a situated position (HFBK Hamburg, Germany, Europe), but acknowledge that we have varying cultural backgrounds, upbringings, beliefs, and languages that we use. We see this variety as a richness to be embraced, which we all net benefit from. We look both to the local (visiting and collaborating with local initiatives like the Kunstverein Hamburg, the New Institute, the Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) and many others), to the national (this semester’s excursion was to Kunstverein Hanover), to the European (last year’s excursion was to Warsaw, and 2019 to Moscow), and the international (we have had zoom speakers from China, the USA, Argentina, Australia, New Zealand, Nairobi, etc). We see this as valuable for a variety of inputs, but also to situate ourselves as a group. We speak about how best to address this heterogeneity regarding how we speak with each other at the beginning of each semester, based on the group that will make up the class for that period. Often, this has meant agreeing on English as an unofficial lingua franca. We all think this is not totally ideal, but it is the language with which we are able to include the most people in discussions with, and we see this compromise as the best solution to adding more for the most. When conversations in this designated lingua franca are inadequate for any member of the class, we are able to switch into other languages – German being the most common second option. We have also had lectures also in German – when the guest speaker is more comfortable speaking in German. We have also had a mix between German and other languages for the examination periods when we address the community beyond our classroom context. In exhibitions, texts are always provided in both German and English, and examinations are done also in both, when we meet other professors, for example, in juries. At a more personal level I have been balancing this from my own practice often, working in many different countries but living and working from a base in Berlin. My studio often deals with this rich heterogeneity of contexts – communicating with international partners in Europe, Asia, the Americas and Australasia – and also the person next door – sometimes all in the same day. This involves flexibility and understanding on all sides, and a dynamic use of the skills in the room. I think working from this position and with this reality is a challenge that many artists face, and I’m happy that at HFBK Hamburg I’m able to pass on working strategies for communicating in the environment artists based in this country often live and work with.
Martin Köttering (Präsident der HFBK Hamburg)
An der HFBK Hamburg studieren aktuell ca. 350 internationale Studierende, die 55 unterschiedliche Sprachen sprechen – zumindest sind das die registrierten Amtssprachen in ihren Herkunftsländern. (Und natürlich hat auch die HFBK eine Amtssprache.) Ganz abgesehen von den zahlreichen Dialekten, regionalen Kleinstsprachen, Slang und Ethnolekt. Die Fokussierung auf die Fragestellung, ob wir an der Hochschule auf Englisch oder Deutsch kommunizieren sollten, vernachlässigt die tatsächlich vorhandene Sprachenvielfalt und die damit verbundene Diversität im Denken. Wir sollten diese Vielsprachigkeit als Gewinn und nicht als Problem verstehen und sie explizit fördern. Diesem Gedanken folgt das Konzept der funktionalen Mehrsprachigkeit. Dieser Ansatz will die individuelle Mehrsprachigkeit aller Hochschulmitglieder sichtbar machen und zu einer plurilingualen Sensibilisierung beitragen. Denn Mehrsprachigkeit ist keine individuelle und gesellschaftliche Ausnahme, sondern aktuelle Lebensrealität. Wir sollten also auf alle uns zur Verfügung stehenden sprachlichen Möglichkeiten zurückgreifen, um Missverständnisse zu reduzieren, Verständigung zu ermöglichen und Toleranz zu leben. Dabei könnten schon kleine Maßnahmen helfen: Mehrsprachliche Beschilderungen in den Gebäuden; Benennungen der Sprachen, in denen wir handlungssicher sind (zum Beispiel in Signaturen, auf Visitenkarten); Erstellung eines Glossars gängiger Hochschulbegriffe in unterschiedlichen Sprachen oder die Stärkung der Sprach-Tandems – ich könnte zum Beispiel Deutschkenntnisse anbieten (in Wort und Schrift und Antragsprache).;-))
Sprach-Tandems
Vielleicht ist es Zeit, die Sprach-Tandems wiederzubeleben. Wer gerne seine Sprachkenntnisse teilen möchte oder Unterstützung in bestimmten Sprachen benötigt, kann sich hier anmelden.
Dieser Artikel erschien in der Lerchenfeld-Ausgabe #67.