Sicherheit/Unsicherheit
Sicherheit ist nach wie vor eines der wichtigen Themen der Gegenwart. Sicherheit wird hergestellt – durch Kontrolle, Überwachung, Militäreinsätze. Das Gegenüber der Sicherheitsdebatte ist die Unsicherheit als subjektive Empfindung. Das Jahresthema des Studienschwerpunkts Design »Sicherheit/Unsicherheit« reflektiert zum einen die Bedingungen einer von Sicherheitswünschen und Kontrolltechnologien geprägten Gesellschaft und stellt andererseits die Frage, wieviel Unsicherheit wir zuzulassen bereit sind.
Design-Symposium »Sicherheit/Unsicherheit«
Donnerstag, 9. Dezember 2011
11 Uhr
Begrüßung: Martin Köttering, Präsident der HFBK Hamburg
Einführung: Friedrich von Borries, Prof. für Designtheorie und kuratorische Praxis, HFBK Hamburg
Theoretische Reflexion
»Sicherheitskultur und -bedürfnis«
Fritz Sack: »Bilder der Überwachung«
Fritz Sack war nach
dem Studium der Ökonomie und Soziologie der erste Nicht-Jurist auf
einem kriminologischen Lehrstuhl in Deutschland, den er an der
Universität Hamburg aufbaute. 1996 hat er das Institut für Sicherheits-
und Präventionsforschung (ISIP) mitgegründet und es bis heute im
Vorstand geprägt und betreut. Sack gilt als führender deutscher
Vertreter des Labeling approach bzw. einer »konstruktivistischen«
Perspektive in der Analyse der Kriminalität und sozialen Kontrolle.
Damit hat er auf Gegenstand und Methoden der deutschen Kriminologie
erheblichen Einfluss ausgeübt. Von 1998 bis 2000 war Sack Mitglied der
nach der »Schill-Wahl« wieder aufgelösten »Hamburger Polizeikommission«.
Aktuell beschäftigt sich Sack mit dem sogenannten »punitive turn« der
Kriminal- und Sicherheitspolitik auch in der Bundesrepublik.
Dietmar Kammerer: »Kontrollgesellschaft«
Dietmar Kammerer
studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Politik
und Philosophie in Konstanz, Coventry und Berlin. 2007 wurde er am
Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin zum
Thema Bilder der Überwachung promoviert. Aktuell arbeitet er als
Postdoktorand am Internationalen Graduiertenkolleg »InterArt« der FU
Berlin. Seine 2008 erschienene kulturwissenschaftlichen Studie »Bilder
der Überwachung« beschäftigt sich mit Videoüberwachung und ihren
medialen Repräsentationen. Neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler
arbeitet Dietmar Kammerer als freier Filmkritiker und Kulturjournalist
(u. a. für taz, Der Standard, TIP Berlin, SPEX).
Michaela Ott - Professorin für Ästhetische Theorien, HFBK Hamburg
13.30 Uhr
Künstlerische Positionen von:
Yana Milev studierte Szenografie, Freie Kunst und Kulturtheorie in Dresden,
Kampfkünste in Kyôto und Berlin, sowie Kulturphilosophie und
Anthropologie der Kunst in Wien und in Karlsruhe. Die Raumforscherin,
Kulturphilosophin und Kuratorin gründete 1987 das Label AOBBME
[Association Of Black Box Multiple Environments], eine Plattform
interdisziplinärerer und transitiver Forschung, seit 1994 als IAR
[Institut für Angewandte Raumforschung und Mikrotopische
Kulturproduktion], mit Basis in Berlin. 1997 nahm sie an der Documenta
10 teil. Yana Milev ist Begründerin des design-, medien- und
kunstsoziologischen Dispositivs »Emergency Design«. Aktuell ist sie
Visiting Research Fellow am Forschungsinstitut der HfG Karlsruhe und
dort Begründerin des Forschungsfeldes »Designanthropologie«.
Olaf Arndt ist
Performer, Kurator und Publizist in Berlin. In Zusammenarbeit mit
anderen Künstlern entwickelte er Inszenierungen, die das Themenfeld
Mensch - Maschine - Gesellschaft in brisanten, manchmal agressiven
Konstellationen zur Schau stellten. 1989 gründete er die
Maschinenperformancegruppe BBM (»Beobachter der Bediener von
Maschinen«). Ein anderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von
Ausstellungskonzepten auf der Grundlage umfassender Archivrecherchen und
die Herausgabe von aufwendigen Begleitpublikationen zu Themen der
Industrie- und Medienkultur.
Julia Scher lebt
und arbeitet in New York. Die Künstlerin studierte Malerei, Skulptur,
Grafik an der University of California, Los Angeles (UCLA) sowie an der
University of Minnesota in Minneapolis. Seit 2006 ist sie Professorin
für Medienkunst/ Surveillance Architectures an der Kunsthochschule für
Medien Köln. Zentrale Themen in Julia Schers Werk sind die
Auseinandersetzung mit Überwachung und dem Cyberspace. Mit ihren oft
temporären, transitorischen Arbeiten –
Performances, Audio-/Videoinstallationen, Kommunikationsobjekte und
Internetprojekte – untersucht sie Strukturen von Macht, Kontrolle und
Verführung. Dabei macht sie sowohl das Abschreckende als auch die
Faszination der Überwachungsgerätschaften deutlich und konfrontiert den
Betrachter mit seinem ambivalenten Verhältnis zu den technischen
Objekten auf ironische Art und Weise.
Christoph Faulhaber
studierte Maschinenbau, Architektur und Kunst und beschäftigt sich in
seinen Projekten mit der Frage öffentlichen Raums. In der Rolle eines
Mitarbeiters einer fiktiven Sicherheitsfirma wachte er vor Konsulaten
und Botschaften der USA in Europa. Letztlich gelangte Faulhaber mit
seiner Kunstaktion »Mr. Security« auf eine Terrorliste des FBI.
Faulhaber interessiert sich für die vielschichtigen Fragen zur Nutzung
und Veränderung des Öffentlichen, Überwachung und Disziplinierung des
Einzelnen und eines vermeintlichen Bedrohungspotentials durch die
visuelle Dokumentation des öffentlichen Raumes.
Jakob Boeskov ist bekannt als Untergrund-Comiczeichner und Filmemacher. Der dänisch-isländische Künstler lebt in Manhattan. Seine Kunst untersucht den Schrecken und die Absurditäten des Lebens im 21. Jahrhundert mit dokumentarischen Mitteln, Nachahmung und Satire, erforscht Komplexität und soziales Potential von Krieg, Waffenindustrie, Globalisierung, Biotechnologie, korrupter Politik und anderen Realitäten. Seine Arbeiten sind sowohl Bloßstellung als auch interaktives Theater. Ob Waffenhändler, fundamentale Republikaner oder chinesische Militante, Boeskov bindet sie gleichermaßen in seine Arbeiten ein. So präsentierte Boeskov mit seiner Fake-Firma »Empire North Project« auf einer internationalen Waffenmesse in China den von ihm konstruierten fiktiven »ID Sniper« und entfachte damit großes kommerzielles Interesse. Statt also eine Intervention in aller Öffentlichkeit zu starten, schaffte es Boeskov damit, die Waffenlobby auf ihrem ureigenem Terrain zu treffen.
Abschlussdiskussion
Um 19 Uhr wird im Museum für Kunst und Gewerbe der Designpreis der HFBK Hamburg verliehen
Forschungsreise nach Israel und Palästina des Design-Seminars »Sicherheit/Unsicherheit«
10. – 17. Januar 2011
In differierenden sozialen
Kontexten findet diese Frage ganz unterschiedliche Antworten, denn ob
Zeit und Raum, den ein Individuum einnimmt, sicher oder unsicher sind,
hängt davon ab, in welchem Zeit-Raum Gefüge es sich befindet und wie
diese formuliert sind. Diese Formulierung wird zum einen durch Praktiken
wie Architektur, Kunst und Design geformt und reproduziert, zum anderen
von ökonomischen, politischen und sozialen Parametern determiniert. Ziel
des Seminars und der Exkursion ist, die Wahrnehmung und Konstruktion
von Sicherheit und Unsicherheit in unterschiedlichen Gesellschaften –
hier Deutschland und Palästina - in Frage zu stellen.
12. – 13. Januar 2011
2-tägiger Workshop
gemeinsam mit Studierenden der international renommierten
Kunsthochschule Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem unter
der Leitung von Prof. Dr. Friedrich von Borries und Ori Scialom
14. Januar 2011
Filmscreening und Diskussion »Cinema Jenin«, Jenin
Besuch des
Flüchtlingslagers in Jenin, Westjordanland, und des Projekts »Cinema
Jenin«. Filmscreening und Diskussion mit den Organisatoren von Cinema
Jenin.
15. Januar 2011, 18 Uhr
Symposium des Goethe-Institut Ramallah in Kooperation mit der HFBK Hamburg. Podiumsdiskussion mit:
- Prof. Dr. Helga Baumgarten (Professorin der Politikwissenschaft und Leiterin des M.A. Programms für Demokratie und Menschenrechte, Birzeit University),
- Dr. Yazid Anani (wissenschaftlicher Mitarbeiter der Architektonischen Fakultät für Stadtplanung und Landschaftsarchitektur, Birzeit University, Mitarbeiter des Projektes »Decolonising Architecture«, Beit Sahour),
- N.N. (Art Academy Palestine),
- Prof. Dr. Friedrich von Borries (Professor für Designtheorie und kuratorische Praxis, Hochschule für bildende Künste Hamburg)