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Panik
Meistens bin ich aufgeregt. Oft sagen Leute dann zu mir, ich solle mich entspannen oder ruhig machen. Das führt dazu, dass ich denke, man darf nicht aufgeregt sein. Überhaupt kommt es ständig vor, dass Leute mich bewerten. Besonders seit ich Mutter bin höre ich oft, dass es besonders sei, dass ich Mutter bin und Kunst mache. Dann denke ich erstmal „Oh wow, ja.“ Anschließend denke ich: es ist verfickt, dass das überhaupt noch der Rede wert ist. Leute machen Kinder, wenn sie wollen (die Gründe sind vielfältig und immer diskutabel, aber eh ist alles diskutabel und unsicher und verunsichernd.) und dann gehen sie weiter ihre Wege (oder nicht).
Wenn ich also aufgeregt bin, dann möchten Leute, dass ich weniger aufgeregt bin. Ich brauche aber meine Aufregung. Sie ist ein Teil von mir und macht mich wach. "Wo es um ein Denken der Überstürzung" geht, das die panischen Anteile der Überforderung als unumgänglich begreift, tritt der nervöse Philosoph Marcus Steinweg auf den Plan, der sagt, dass sich Denken und Überstürzung gegenseitig bedingen, ja bedingen müssen, trotz der gebotenen Resistenz gegenüber jeder Vereinfachung. Steinweg hat zwischen Juli und September 2013 mehr als hundert Vorträge gehalten – zu den unterschiedlichsten philosophischen Fragestellungen. Das geschah in Thomas Hirschhorns Gramsci-Monument in der New Yorker Bronx, einem Monument, das zugleich Kunstwerk und Gemeinschaftszentrum sein sollte. In der Berliner Volksbühne (Roter Salon) hat Steinweg unter dem Titel »Überstürztes Denken« eine Veranstaltungsreihe etabliert, an deren Abenden er etwa anderthalb Stunden sehr schnell und unter großem inneren Druck komplett frei spricht, und dies ohne alles, außer einem Glas Weißwein und einer Dose Red Bull – wobei er manchmal Gäste hat. Die sind dann meistens auch recht nervös. Als herrschte die ganze Zeit sehr großer Wind.« »Risiko und Idiotie« von Monika Rinck. Das Zitat hat mir Joshua gesendet. Ausgangspunkt war mein Buch „Escalations Escapations“.
Das Buch ist sehr schnell entstanden. Ich war in Nürnberg und hatte einen Satz Fotografien mitgebracht, um über sie nachzudenken. Es waren eine Fotografie von einem pinken BMW in Quedlinburg, eine Schwarzwälderkirschtorte, ein Bild mit Blechkuchen und sowas. Aber natürlich waren nicht nur je ein BMW, eine Torte und Blechkuchen drauf, sondern es war auch die Umgebung zu sehen. Noch ein paar Krümel, eine Gabel oder das Haus hinter dem Auto und ich war irgendwie genervt von der Bedingung der Fotografie, dass man, wenn man ein Foto von einem Objekt machen will, man es inszenieren müsste um nur das Objekt im Zentrum zu haben. Das wäre aber nicht das, was ich will, denn es wäre dann nicht mehr die Situation, in der sich das Objekt befand. Ich mag die Umgebung der Objekte, die ich fotografiere, aber ich will sie mehr gestalten, umformen und die Objekte in einer unendlich gearteten Umgebung eingebettet sehen. Denn so sehe ich sie in diesem Moment.
Wie bei Migräne mit Aura und Naratriptan drauf könnte man sagen. Ich habe also begonnen meine Ansammlung von Bildern digital so umzuformen, dass nur das zu sehen ist, was ich im Moment des Fotografierens interessant fand. Einige Tage später ging ich zur stone+tec. Die internationale Fachmesse für Naturstein und Steintechnologie. Es war wie im Paradies. Messestände sind eigentlich ähnlich perfekt ausgearbeitet wie ein Spritzkuchen auf einem Teller auf einem Platzdeckchen auf einem Holzimitattisch in einem Festsaal im Schloßhotel in Schkopau wenn Tante Margot ihren 70. Geburtstag feiert. Joshua schreibt in seinen Büchern manchmal so, wie ich fotografiere, finde ich. Er hat den Text für mein Buch geschrieben. Neulich habe ich die erste Mail wiederentdeckt, mit der wir begonnen haben, uns dem Text anzunähern. Ich finde die Aufregung in solchen Anfängen so großartig. Ein fertiger Text, ein fertiges Buch ja, das ist auch toll. Aber der Weg, die Aufregung, die Panik im Denken - oh das ist herrlich. Das ist wie die erste EP von Ilgen-Nur, wie der Streusel auf dem Streuselkuchen bevor er gebacken wird.
escalation escapation
Variation von finalen Lösungen
Varianten finaler Lösungen
Wenn man davon ausgeht, dass man in der Unendlichkeit seine Ruhe hat. Also im Nirvana oder in unendlich viel Vanillesoße, lauwarm, dann ist es logisch, dass alles was diese Unendlichkeit stört und in Frage stellt eine Gefahr darstellt. Ich mag keine Gefahr. Aber doch. Ich mag sie, weil sie thrillt mich.
Zu viel Unendlichkeit ist aber auch gefährlich.
Zu viel Vanillesoße - das geht einfach nicht.
Es ist klar, meine These ist bestechend, es bietet sich an kleine Unendlichkeiten zu schaffen.
Kleine finale Lösungen, kleine fanatische Gärten, minimalistische Anhäufungen von Sicherheit.
Unendlichkeit
escalation escapation
Wohlstand und das Bedürfnis nach einer Ruhe um sich in einem unendlich leeren Raum mit Konsum und reichlich Fressen auf eine Darmspiegelung und die womöglich vorzeitige Rente vorzubereiten. Wichtige Faktoren -
Daunenbett
Sauberkeit
Regelmäßiges Abwaschen und auch sonst Regelmaß
DIN Normalität
Ernsthaftigkeit aber manchmal Spaß im Fernsehgarten
Und dann wenn die Gesellschaft so verroht und man dann doch lieber nicht mehr hinguckt
Fetisch glatter Oberflächen
Dekor
Muster
Grafisch
Fotografisch - was ist Subjekt / Objekt? Verschiebung.
Digitale Nachbearbeitung / barsch und sichtbar.
Varianten finaler Lösungen Wovor haben Sie Angst?
Was wünschen Sie sich?
Wovor haben Sie Angst? Was bedeutetet "escapations" für dich?
flucht ins unendliche in einen ort oder zustand, den es nicht gibt. ästhetische flucht. eskalierende flucht. fluchtmöglichkeiten, fluchtwege, perspektiven von ausflüchten. ich mochte damals auch den wikipediaeintrag mit all seinen schönen begriffen…
Eskapismus, auch Realitätsflucht, Wirklichkeitsflucht oder Weltflucht, bezeichnet die Flucht aus oder vor der realen Welt und das Meiden derselben mit ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklichkeit, d. h. imaginären oder möglichen besseren Wirklichkeit. Der Begriff wird in der Psychologie sowie der Bildungssprache meist negativ verwendet.
Eskapismus wird als eine Fluchthaltung oder Ausbruchshaltung, als bewusste oder unbewusste Verweigerung gesellschaftlicher Zielsetzungen und Handlungsvorstellungen verstanden.
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