Neu auf rhizome.hfbk.net: 3 Notizen zu Anna Lena Grau
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1987 schraubt der Northwest-Pilot Robert Plath aus Bequemlichkeit einfach zwei Räder unter sein Gepäcksstück und wird damit binnen kürzester Zeit Millionär: Das war die Geburtsstunde des Rollkoffers in seiner heutigen Form. Die Insignie einer modernen Lebensweise, heraldisches Symbol des Jetset und von Biligurlaubern, von Geschäftsreisenden genauso wie von einer nomadischen Generation von Künstlern. Den Beweis hört man täglich - an der Sternschanze etwa, wo selbst die hippsten Urlauber mit ihren Plastikrollen über Kopfsteinpflaster zu ihren Airbnb Wohnungen rattern.
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Der Rollkoffer steht auch im Mittelpunkt von Anna-Lena Graus Ausstellung "Cargo Bay" im Kunsthaus Jesteburg. Zerlegt, abgegossen, neu zusammengesetzt liegen seine Einzelteile da auf einem abstrahierten Gepäcksförderband. Abgegossene Nackenkissen hängen und liegen daneben. Und an der Wand: (Hotel)Handtücher, bedruckt mit invertierten Fotografien von Spuren am Strand. Sandburgen, Fußabdrücke. Tierspuren. Urlaubstristesse im Jesteburger White Cube.
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"Cargo Bay" - was im ersten Moment wie eine Südseebucht, wie ein Urlaubs-, ein Sehnsuchtsort klingt, bezeichnet eigentlich nur den Gepäcksraum im Flugzeug. Ein doppeldeutig-ironischer Titel also mit bitterem Beigeschmack. Denn genau wie die Einführung der Containerschifffahrt in den 1960er Jahren ein Gamechanger für das Logistikwesen war, steht die Überschwemmung des Markts mit Rollkoffern in den 1980ern für die neue massentauglichkeit des Reisens - mit all den dazugehörigen Problemen, mit denen die Welt bis heute kämpft. Die einen durch aufgezwungene Mobilität, alle anderen durch massive Umweltbelastungen. Ein Hauch Endzeit weht damit durch die Ausstellung: Die Spuren am Strand, sie sind flüchtig.
Anna Lena Grau, "Cargo Bay", Kunsthaus Jesteburg