Die Tresen-Kolumne: Vorschlaghammer
Was sich am vergangenen Sonntag an der erst kürzlich hier erwähnten „Schwur- und Gedenkstätte gegen den Verrat an der Demokratie“ vom Zentrum für politische Schönheit abspielte, war schon erstaunlich. Die eigens für diese Aktion ins Leben gerufene Gruppe „AKK- Aktions Künstler Kommitee“ versuchte mit Flex und Vorschlaghammer das erst kürzlich einbetonierte Denkmal abzureißen. Im Vorfeld hatte die ZPS Aktion ja viel Gegenwind bekommen, vor allem aus jüdischen Institutionen. Sie warfen dem ZPS die Nutzung der Shoah-Toten für Werbezwecke einer weiß-christlich sozialisierten Gruppe vor. Das ZPS entschuldigte sich und übergab die Asche, die eigentlich in den Kern der Stele gefüllt werden sollte, der Rabbiner_innen-Konferenz. Die Stele wurde aber dennoch aufgestellt, nur mit Beton-Kern statt Asche. Dem AKK war das trotzdem zu viel und so versuchten sie unter den Augen der Presse, am Sonntag diesen Fehler zu beheben. Gesicht der Gruppe war und ist der in Tel Aviv lebende IT-Berater und Tech-Journalist Eliyah Havemann. Havemann konvertierte 2007 zum Judentum und schrieb ein Buch darüber. Er ist ausserdem der Sohn von Liedermacher und ehemaligem DDR-Dissidenten Wolf Biermann. Unter dem Hashtag akkvorschlaghammer gab es in den Folgetagen einen wilden Schlagabtausch zwischen beiden beteiligten Gruppen, die auch davon geprägt war, sich gegenseitig faschistische Methoden gegenüber der Freiheit der Kunst und oder die Konsumierbarmachung von Leid auf Kosten der Shoah-Opfer und ihrer Nachkommen vorzuwerfen. Gerade das ZPS sparte, wie erwartet, nicht mit großen Worten und sprach im Folgenden nur noch von (sogenannten) „Künstlern“, die Kunst abreißen wollen. Die einen versicherten den anderen, in einer Welt, in der tote Jüd_innen für Kunstaktionen vermarktbar werden, nicht leben zu wollen, die anderen versicherten wiederum, in einer Welt, in der Kunst mit dem Vorschlaghammer angegriffen werde, nicht leben zu wollen. AfD-nahe Stimmen klinkten sich in das Gespräch ein und rieben sich die Hände, beide Gruppen distanzierten sich davon. Es folgte eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aus dem Umfeld des ZPS und die Polizei verhinderte die weiteren Abrissarbeiten. Es geht um Definitionsmacht, wie so oft in Deutschland, wer wie über das Leid der Shoah sprechen kann und hier bin ich eh kein guter Ratgeber. Das ZPS wahrscheinlich eher nicht, denn, der Vorwurf an das ZPS auf Twitter nach der Anzeige war berechtigt: Lebenden Jüd_innen stehe man, wie die Anzeige beweist, immer noch feindseelig gegenüber. Dass gerade Eliyah Havemann, der ja bis 2007 noch alle Privilegien eines weiß-christlich sozialisierten Deutschen neben sich auftürmte, nun von seinen Toten spricht, bleibt allerdings auch nicht ohne Nachgeschmack und so wirkt es, als bliebe der Diskurs um die „Schwur- und Gedenkstätte gegen den Verrat an der Demokratie“ in den Interna deutscher Vergangenheitsbewältigung stecken.