Die Tresen-Kolumne: Romantische Gefangenschaft
Laut dem statistischen Dienst „Statista“ planten im Jahr 2019 1,07 Millionen Deutsche den Bau eines eigenen Hauses. 2017 waren es übrigens 0,5 Millionen mehr Hausbauwünsche, vielleicht ausgelöst durch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis der urbanen Mittelschicht nach den Ereignissen von G20 in Hamburg. Befragt wurden dazu Personen ab 14 Jahren. Warum Statista das Befragungsalter so niedrig ansetzt, ist mir nicht ganz klar. Für meinen persönlichen Merkzettel: Rausfinden wie viele Deutsche planen, Astronaut:in oder TikTok Star zu werden. Ab 14 Jahren kann man immerhin juristisch belangt und in der Konsequenz auch eingesperrt werden. Die sprachliche Verwandtschaft zwischen sesshaft sein in einer Heimstatt und einsitzen in einer Haftanstalt sind die zwei Seiten der Imobilitätsmedaille. Ab 14 bleibt man scheinbar dort kleben wo man sitzt und holt die Ernte der eigenen Scholle ein oder stellt für einen Euro die Stunde, 40 Stunden die Woche Bauteile für Ikea, VW oder Miele in der Haftanstalt her, die dann wiederum in den Produkten und Häusern der Sesshaften gebraucht werden. Dass es zwischen diesen beiden Welten scheinbar profansprachliche Überschneidungen gibt, zeigt jeder Junggesell:innenabschied und seine zubuchbaren Gestaltungsvorlagen, wie die immer gleichen T-Shirts auf denen hinten der Spitzname und somit meist die soziale Stellung innerhalb der Clique des/der Träger:in vermerkt ist. Es geht um den letzten Abend in einer imaginierten Freiheit, bevor am nächsten Morgen die imaginierte Haftstrafe der ehelichen Sesshaftigkeit vollzogen wird. Es ist ein Abschied von einer imaginierten Jäger:innenrolle und der Anfang einer imaginierten sesshaften Feldbestellung. Obwohl die Erzählungen dieser T-Shirt Prosa selten die Stringenz der Metapher halten können, denn aus dem/der Jäger:in wird dort oft das domestizierte Haustier oder der/die berüchtigte Jäger:in wurde nun schlichtweg selbst erlegt. Dieser Logik folgend ist die Ehe eine ungleiche Allianz zweier Jäger:innen, die, um sesshaft zu werden, Jagd auf Menschen machten und deren Sesshaftigkeit zwar mit Gewalt beiderseitig hergestellt werden musste, die passende Metapher aber die der lebenslangen Haft ist, die man eigentlich immer vermeiden wollte. Ich glaube nicht an Witz-T-Shirts. Ich glaube, so werden Weltanschauungstrümmer in witzige Eventmode verpackt, von denen man weiß, dass sie zu schrecklich sind, um sie laut auszusprechen. Deutsche Romantik ist ein sehr scharfes und stark verbogenes Schwert - wer es berührt, wird sich wahrscheinlich daran verletzen.