Auf rhizome.hfbk.net: Tresen-Kolumne »Es menschelt«
Es menschelt
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Herren* hat gewonnen. Allerdings kam das, was sie schon bei der Weltmeistersiegesfeier 2014 in Berlin gezeigt haben, (siehe #gauchogate) wieder zum grausigen Vorschein: Die Unfähigkeit, ohne rassistische Ressentiments und Häme zu gewinnen. Ein deutscher Sieg, ob politisch wie gegen Griechenland, oder sportlich gegen Schweden, Brasilien, Argentinien etc. ist immer durch vehementes Nachtreten geprägt. „Es menschelt“, so nennt man das dann wohlwollend in der Zeitung, im technokratischen Lifestyle deutscher Fußball-Herren*. Sonst auf omnirespektvolle Appeasment-Rhetorik setzend, als sportlicher Arm des deutschen Parlamentarismus gedrillt, kommt im Moment des Siegesüberschwangs diese Fassade ins Taumeln. Da werden die alten Rassismen wieder aus dem Schrank geholt, über die, die halt so sind und die die immer das machen… Ein Wunder, dass nach dem besoffenen Sieg gegen Brasilien der vorangegangenen WM, deutsche Firmen nicht die Strukturen des brasilianischen Fußballs aufgekauft und in den langsamen Tod des Spardiktats gepresst haben oder deutsche Fans, ganz in der Tradition ihrer Väter*, die Trainingshallen und Stadien in Brand steckten. Es menschelt halt, aber eigentlich ist das nicht unser Stil. Der Landesverband Hamburg der Linksjugend Solid, oder zumindest ein Teil davon, erklärte die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren* neulich zu einer der wenigen Freizeitaktivitäten, die „dem deutschen Arbeiter“ noch bleiben, bei der echtes Gemeinschaftsgefühl, abseits von den durch „die Konzerne“ orchestriertes Automatendasein, produziert werde. „Der deutsche Arbeiter“, wer auch immer das von den vielen Subalternen sein soll, ist dann auch rechtschaffen sauer, wenn das Gemeinschaftsgefühl mit dem gesamten Volkskörper durch die ambivalenten Gefühle zweier Deutscher getrübt wird, die zufälligerweise je zwei Pässe haben und sich ungefragt ambivalent mit dem gewählten türkischen Diktator Erdogan ablichten lassen. Die Empörung ist groß: vielleicht sind die beiden rechts, vielleicht ist die türkische Gesellschaft, trotz Wahlbetrugs, genauso nach rechts gerückt wie die Deutsche, die Englische, die Französische, die Italienische, die Dänische, die Schwedische, wie „der deutsche Arbeiter“ eben auch, wie die Linksjugend Solid, Landesverband Hamburg eben auch. Die Türkei gehört also doch irgendwie zu Europa.