Die neue Stringfigures-Kollume: liebe_03.jpg
Ein digitales Bild. Wurde mir nach der Beerdigung meiner Tante zugesendet. 450 KB. RBG. Eigentlich eine SW - Fotografie, das auf einem anderen SW - Foto liegt. Querformat. Oben und unten lugt je etwa ein Zentimeter von dem anderen Bild hervor. Darauf wahrscheinlich Blätter oben und unten Wiese. So auch bei dem Bild, das ich betrachte. Oben sind Baumkronen, unten links ist Wiese zu erkennen. Ab der Hälfte nach rechts am Boden helle Waschbetonplatten. Im Hintergrund ist ein Haus zu erkennen. Das Bild ist oben und unten leicht beschädigt. Auf dem Bild sind zehn weiße Personen zu sehen. Zwei ältere weiße Menschen sitzen zentriert auf Stühlen. Hinter den beiden stehen sieben weitere weiße, halbstarke Menschen, zwischen den beiden Erwachsenen ein strahlendes Kind von etwa zehn Jahren. Auf dem linken Stuhl sitzt eine Dame von etwa vierzig Jahren. Links neben dem Stuhlbein lehnt eine etwa A4 große, dunkle Handtasche. Die Dame hat kurze dunkle Locken, die ehemals frisiert, nun etwas wüst umherstehen. Sie trägt ein schwarzes Kleid bis zu den Knien, eine helle Strickjacke, eine durchsichtige Strumpfhose und etwas zu eng sitzende Lackschuhe mit Schnalle. Sie hält die zarte Hand des Mädchens mit beiden Händen fest. Die Dame bekam noch zwei Kinder und zog mit ihrer Familie in ein Hotel. Sie hatte zu viel Arbeit und wurde tablettenabhängig. Sie überlebte einen Suizidversuch und erzählte später, wie sie als junges Mädchen mit großen Leinenlaken in die Wolga gesprungen ist, weil man ein Stück im Fluss treiben konnte. Sie hatte immer eine Kompaktkamera dabei und lebte zwölf Leben. Sie konnte winken wie die Queen. Auf dem rechten Stuhl sitzt ein schmaler Mann mit stolzem Blick. Eine Hand auf jedem Oberschenkel. Er trägt einen Anzug, ein weißes Hemd, eine helle Krawatte und Lackschuhe. Er hat eingefallene Wangen. Er hat immer irgendwas gebaut. Er hat nicht viel gesprochen. Er wurde alkoholkrank und starb. Er lernte die Frau in irgendeinem Zwischenlager für Russlanddeutsche kennen. Durch den Zaun - so die Geschichte. Das Mädchen zwischen den beiden hat glänzende, wellige Haare und einen Pony. Sie grinst fröhlich in die Kamera, trägt ein weißes, knielanges Kleid, weiße Socken, weiße Schuhe, ist schmal und wenn sie die Klöße nicht wollte, gab es Schwarzwälderkirschtorte. Sie hört nicht. Sie … ich kann nicht über sie schreiben. Vielleicht später.
Text: Jenny Schäfer