Neu auf rhizome.hfbk.net: 3 Notizen zu "Army of Love"
1 Liebe, Zuneigung und Sex sind in der Welt nicht fair verteilt: Während es eigentlich Grundbedürfnisse sind, deren Deckung allen Menschen zusteht, so leben tatsächlich viel zu viele Menschen in Einsamkeit und Vernachlässigung. So lässt sich in etwa die Ideologie der von Ingo Niermann gegründeten "Army of Love" zusammenfassen, die derzeit mit einem Video Teil der Ausstellung "Some Shapes of Things to Come" im Kunstverein Harburger Bahnhof sind. Sex und Intimität für alle, auch für die Menschen, die etwa weniger den gängigen Normen entsprechen - das ist das Versprechen dieser Armee, die etwa "free petting" anbietet, um die Welt ein Stück besser zu machen.
2 Intimität als Gegenpol zum Hass in der Welt? Auch vielleicht als Gegenpol zum Schönheitsdiktat, zur Übersexualisierung und Objektifizierung von Menschen, etwa des weiblichen Körpers? Eigentlich überzeugend. Aber draußen aus der Bubble, in der heißen Ubahn-Station, wo Männer Frauen anstarren und nachpfeifen und sowieso schon der Meinung sind, Frauen haben sexuell verfügar zu sein, kommen dann doch die ersten Zweifel auf. "Freie Sexualität", "freie Liebe" und "mehr Intimität", sind das nicht vielleicht doch nur hohle Schlagwörter, die oft genug auch zur Legitimation von Übergriffen und Missbrauch herhalten müssen und mussten? (Auch in Kunst-Kreisen - wie etwa in der Mühl-Kommune)
3 Ganz schön dünnes Eis jedenfalls, auf dem man da als "Army" mit einer unangenehmen Bestimmtheit herumtrampelt. Wenn also eine Armee etwa "free petting" anbietet und letzlich einfordert, und behauptet, die Welt brauche aktuell freier gelebte Sexualität, ohne zuvor die vorherrschenden Bedingungen auf den Prüfstand zu stellen, wirkt das im besten Falle naiv und weltfremd, im schlimmsten Falle aber sind die Aktionen der Gruppe grenzüberschreitend - und nicht weniger Ausdruck eines Machtgefälles als ungewollte Blicke in der Ubahn.
3 Notizen zu: "Army of Love" in "Some Shapes of Things to Come", Kunstverein Harburger Bahnhof