3 Notizen zu: "Corona Sound System" Hamburger Kunstverein
1 Wessen Stimme wird gehört? Wer darf sprechen? Wem hört man zu? Kaum eine Frage wurde in den letzten Monaten und Jahren mehr diskutiert als die nach gesellschaftlicher Teilhabe, nach Deutungshoheit und nach Mitsprache - und die Corona Pandemie hat die Thematik nur noch weiter verschärft. Ganz passend also, dass der Hamburger Kunstverein diese Frage im zweiten Teil der Corona-Show "BEING LAID UP WAS NO EXCUSE FOR NOT MAKING ART" die Frage nach den Stimmen ganz buchstäblich angeht, und in seiner aktuellen Ausstellung ausschließlich Soundarbeiten präsentiert.
2 Von experimenteller zeitgenössischer Musik bis zur Audioarchäologie, von der Erforschung von Alltagssounds des Hauptbahnhofs über erschütternde Recherchen über das Flüstern syrischer Häftlinge bis hin zu einem hypnotischen Lied des 14. Jahrhunderts: Das Corona Sound System stellt nun gleichwertig verschiedenste Verarbeitungen von Krisen oder von Alltagssituationen, verschiedene Lebensrealitäten, unterschiedlichste Verständnisse von Sound und Sprache nebeneinander. Eine riesige Kakophonie also? Ein Lärmteppich, bei dem man kein Wort versteht? Weit gefehlt. Denn die klugerweise nach einem festen Zeitplan kuratierte Schau lässt weit mehr stille Momente zu, als man bei einer reinen Sound-Ausstellung erwarten würde.
3 Trotz der Beschränkung auf das Medium Sound ist die Themen- und Methodenvielfalt in der Ausstellung so vielfältig wie die Kunstszene, die sie abbilden möchte. Es ist auch deshalb ein passendes, und damit auf jeden Fall lohnendes Experiment, auf das sich der Kunstverein da eingelassen hat - und eines, das mit seinem gerade mit seinem sehr linearen Format am Ende die Frage, wie man Stimmen Gehör schenken kann, die sonst untergehen, vielleicht beantwortet: Indem man allen gleich viel Raum gibt, den Lauten und den Leisen gleichermaßen, und sie nicht gegeneinander ausspielt, sondern ihnen ihren jeweiligen Raum gibt. So könnte es funktionieren. Man muss dafür nur sehr, sehr, sehr viel Zeit mitbringen.