3 Notizen zu: 50 Quadratmeter Zumutung, Kunsthalle Hamburg
1 "50 Quadratmeter Zumutung" - so nennt die Kunsthalle in ihrem aktuellen, gut produzierten Trailer das monumentale Historienstück "Prozession mit dem Einzug Karls V. in Antwerpen" des Salonmalers Hans Makart. Es ist ein nicht ganz einfaches Bild - schwülstig, gefällig, voller nackter Frauen: Damen der Wiener Gesellschaft, deren Köpfe der alte Macho Makart angeblich ohne Zustimmung auf die unbekleideten Leiber setzte. Sexismus also, und kitschig noch dazu - weshalb die alte Leitung der Kunsthalle das Bild einfach hinter eine Wand verbannt hat.
2 Nun aber ist es endlich wieder zu sehen. Der neue Chef Alexander Klar ließ es aus seinem Versteck holen und präsentiert es in seiner ganzen pompösen Pracht - um Diskussionen zuzulassen, wie er sagt. Denn ist es nicht ein spannendes Stück Kunstgeschichte, dieser Skandal des 19. Jahrhunderts? Sagt uns das Bild nicht auch heute noch etwas, kann es uns nicht heute noch viel über Geschmack und Sexismus erzählen? Kann man sich darüber nicht "die Köpfe heißreden" - wie Klar es sich wünscht?
3 Gut gemeint, ja - doch es bleiben ein paar Dinge einzuwenden. Erstens überschätzt man vielleicht die Reaktionen, die so ein Bild beim Publikum hervorrufen kann. Nackte Frauen sind doch im Museum sowieso allgegenwärtig - unzählige Abbilder von Frauen hängen da, denen immer nur die Rolle als Modell zugestanden wurde, die Rolle, sich gegen Stundenlohn dem sexualisierten Blick des Malergenies auszusetzen. Zweitens ist man dieser ewigen Debatte sowieso schon müde, im Zuge deren immer die gleichen Phrasen durchgekaut werden, von "Es bringt nichts, Werke zu verstecken" bis zur treffenden Feststellung, dass Sexismus von damals auch heute noch wirkt - und es nicht darum geht, Dinge zu verstecken, sondern vielmehr darum, einmal andere Dinge zu zeigen. Wirklich mutig kann man diesen Akt des Wiederzeigens also nicht nennen. Es braucht einen ebenso großen, wirklich emanzipierten Gegenpol zu den 50 Quadratmetern Zumutung. Erst dann kann man Makart wirklich guten Gewissens wieder herausholen.
Text: Raphael Dillhof