2017/03/07: Annika Kahrs erhält VG-Stipendium
Annika Kahrs ist mit dem mit 60.000 CHF dotierten Vordemberge-Gildewart-Stipendium ausgezeichnet worden. Die HFBK-Absolventin (Diplom 2012) überzeugte die internationale Jury mit ihrer Videoarbeit »Sea-Pool« (2016) sowie drei Zeichnungen (2015), die mit Seemännern in Bremerhaven entstanden sind. Das VG Stipendium ist eine der höchstdotierten Auszeichnungen für europäische Nachwuchsförderung.
Nominiert waren zwölf Künstlerinnen und Künstler unter 35 Jahren aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Fotografie, Installation, Performance und Videokunst. Die Nominierten haben alle einen regionalen Bezug zu Norddeutschland und sind überwiegend Absolventen der Kunsthochschulen in Braunschweig, Bremen und Hamburg. Dieses Jahr ist die Kestner Gesellschaft Austragungsort der Preisvergabe und der damit verbundenen Gruppenausstellung »VG Stipendium 2017«, die vom 11. März bis 7. Mai 2017 zu sehen ist.
Die in der Ausstellung gezeigten Zeichnungen entstanden in Kooperation mit Seeleuten, die Annika Kahrs im Seemannsclub in Bremerhaven getroffen hat. Sie schildern anhand der skizzenhaften Zeichnungen ihre privaten Wohnsituationen. Dabei geht es um Erinnerungen, Emotionen und um Wunschträume, die mit der fernen Heimat verbunden sind. »Es bleibt im Ungewissen, inwiefern die Skizzen Realitäten oder Imaginationen festhalten. Ihrem Gedanken folgend, schlüpft die Künstlerin in die Rolle der Regisseurin, die das Gegenüber zum Mitspielen anregt und sich auf einen ergebnisoffenen Dialog einlässt. Die Unmittelbarkeit und Unperfektheit der Zeichnungen transportieren einen speziellen Reiz und lassen uns die Begegnungen ein Stück weit nacherleben«, heißt es in der Begründung der Jury, die in diesem Jahr aus Madeleine Schuppli, Prof. Dietrich Helms, David Juda, Isabelle Krieg, Andreas Meier, Dr. Volker Rattemeyer, Dr. Arta Valstar-Verhoff und Dr. Roman Zieglgänsberger bestand.
Die Videoarbeit »Sea-Pool« von 2016 ist ebenfalls in der Welt der Schifffahrt verortet. Drehort ist die Weser-Fähre, die Dauer des Films entspricht der Fahrzeit zum anderen Flussufer. Im Fokus steht ein Billardtisch, den die Künstlerin formal – in der Komposition fast malerisch – austariert. Fast schmerzlich sind die Betrachtenden gehalten, die Geduld zu bewahren, und darauf zu warten, dass sich im Bild etwas ereignet. Auf dem Tisch ausgelegte Kugeln beginnen sich langsam in verschiedene Richtungen zu bewegen, unvermittelt durchquert ein Auto oder dann der Schaffner das Bildfeld. Die Kugeln bewegen sich wie von Geisterhand, die Spieler fehlen. Dadurch lotet Annika Kahrs die Qualitäten der filmischen Möglichkeiten aus. Sie spielt mit Suspence und lässt gleichzeitig den Zufall und die von ihr nicht beeinflussbaren Bewegungen des Schiffes auf dem Wasser zu Ko-Regisseuren werden. Die Jury würdigt die räumliche Umsetzung der Videoinstallation und das starke Zusammenspiel der beiden Arbeiten: »Die formale Reduktion und Konzentration führt zu einer pointierten Aussage. Gleichzeitig fasziniert ein leichtes Mysterium, ein Hauch von Unerklärlichkeit, welche die Arbeit durchdringen.«
Annika Kahrs studierte von 2005 bis zum Diplom 2012 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Prof. Andreas Slominski, Prof. Jeanne Faust und Prof. Dr. Michael Diers. 2004-2005 studierte sie an der Hochschule für bildende Künste Braunschweig und von 2008 bis 2009 im Rahmen eines Austausch-Jahres an der Akademie der bildenden Künste, Wien, bei Prof. Harun Farocki. Sie wurde bereits mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, unter anderem mit dem Aufenthaltsstipendium der Cité Internationale des Arts, Paris (2015/16), dem Bremerhaven-Stipendium (2014) und dem George Maciunas Förderpreis (2012). Kahrs Arbeiten waren bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, darunter in der Hamburger Kunsthalle (2016), bei der 5. Biennale für zeitgenössische Kunst in Thessaloniki, Griechenland (2015), im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin (2015) und in der Peter Amby Galerie, Kopenhagen, Dänemark (2014).
Die schweizerische Stiftung Vordemberge-Gildewart hat es sich seit ihrer Gründung 1977 zum Ziel gesetzt, den Nachlass des Künstlers Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899 bis 1962) zu betreuen und in seinem Sinne jungen Künstlerinnen und Künstlern durch Vergabe von Stipendien den Weg ihrer künstlerischen Karrieren zu ebnen. Die Förderung regionaler Kunstszenen ist ein zentrales Anliegen der Stiftung, deren Gründung auf die Initiative von Ilse Leda Vordemberge (1906 bis 1981) zurückgeht.
11. März – 7. Mai 2017, Eröffnung 10. März 2017, 19 Uhr
VG Stipendium 2017 – Nominierte für das Vordemberge-Gildewart-Stipendium
Katja Aufleger, Malte Bartsch, Feminist Land Art Retreat, Gerrit Frohne-Brinkmann, Toulu Hassani, Verena Issel, Delia Jürgens, Annika Kahrs, Lucas Odahara (*1989 São Paulo, Claudia Piepenbrock, Max Schaffer, Timur Yüksel
Kestnergesellschaft, Hannover
www.kestnergesellschaft.de