Die Tresen-Kolumne: Wumbo und Schleim
Die Museen machen diesen Donnerstag wieder auf. Kneipen und Gastronomiebetriebe wohl schon nächste Woche. Jeden Morgen wenn ich aufwache, blinkt ein Licht an meinem Telefon. Der Telegram-Feed der Tagesschau berichtet mir von der aktuellen Lage, natürlich immer aus einer Perspektive, die relativ worttreu an den Presseerklärungen von Steffen Seibert klebt. Aber das ist nicht schlecht, so weiß ich, was meine Eltern und meinen Hausarzt gerade beschäftigt, welche Regierung gerade Regime ist und welches Land plötzlich sicher, ein guter Überblick. Wie in jedem Onlinepresseerzeugnis sind die Kommentarspalten unter den Artikeln ein Feuerwerk an brutaler Empörung. Auch bei der besagten Meldung zur etwaigen Kneipenöffnung. User_in Margitt vermutet dahinter den geheimen Plan, eine Herdenimmunität herzustellen. Andere pflichten ihr bei, zumal betrunkene Menschen es eh nicht mehr schaffen, sich ordentlich die Hände zu waschen und den Abstand einzuhalten, (stimmt übrigens). User_in dito bemerkt: „Sehr schön soweit,aber wieso hört man nichts mehr von einem Öffnungstermin für Freizeitparks?“ Wann hat man denn jemals was gehört von Freizeitparks? Was ist eigentlich mit den Freizeitparks? Ich will plötzlich unbedingt in einen Freizeitpark. Neben fremden Menschen in einem Viererwagen kreischend den Abgrund hinab und danach alle Knöpfe der Softeismaschine drücken. Ich will meine Hände in klebrigem Kleingeld baden und danach damit Pommes essen. Ich vermisse Wumbo und Merlin. Niemand konnte die Frage von dito beantworten. Jetzt müssten wohl erst mal die Arbeitszeitparks eröffnen, auch da: zu viert kreischend in den Abgrund hinab. Die Mensa im Neubau von Versicherungsunternehmen Euler Hermes, hier in Bahrenfeld, ist so ein richtiger Arbeitszeitpark. Wahrscheinlich wegen Corona ist die Mensa jeden Tag leer. Also nicht „nicht gut gefüllt“, sondern leer leer. Die Fenster sind auf Straßenhöhe und so schau ich mir diese Pausenlandschaft gerne täglich an. Zweier- und Vierertische mit Birkenholzfolie bezogen, Regalwände als lockerer Raumtrenner. In den Fächern stehen fast beiläufig Gegenstände: Schalen, Pflanzen, Vintagelampen. Wie bei Leuten zuhause, wie bei Till Schweiger zuhause. Computerspielgleich wiederholt sich die Abfolge an Gegenständen zwei Meter weiter: Die selbe Schale, die selbe Pflanze, die selbe Lampe – Copy & Paste-Props. Eigentlich ein ganz witziger Kommentar der Inneneinrichter_innen: Zuhause siehts aus wie bei der Arbeit siehts aus wie zuhause siehts aus wie überall siehts aus wie bei Till Schweiger. Der Raum ist trotz der Betriebslosigkeit immer emotional beleuchtet, indirekt, warm, pulsierend und leise flüsternd. Kurze ASMR Pause zwischen den Exportversicherungsgeschäften. Vielleicht gibt es dort gar kein Essen sondern nur ultrasatisfying slime und bunten Sand. Dahinter steckt, so würde User_in Margitt wohl vermuten, der geheime Plan zur Herstellung einer Herdenimmunität.