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So wie Hito Steyerl?
Ich habe mit meiner Tresenarbeit wirklich einen Glücksgriff
gelandet. Wenn ich in deutschen Vorstädten oder Dörfern, im Burgerladen
um die Ecke, in Marktflecken oder Samtgemeinden, in Bushaltestellen oder
Dorfkrügen, beim Traber-Schneck im Dorf meiner Mutter oder in einer
Anwaltskanzlei in der Mönckebergstraße zu Gast bin, dann begegnet mir
oder meiner Bezugsgruppe, als einzigen offensichtlich Orts-oder
Raumfremden, oft die Frage: „Was macht ihr hier, und was macht ihr
sonst!?“ Ich kann dann antworten: Ich bin Barkeeper, und ich bin zum
Spaß hier. Damit ist der Fall gelöst, die Sache erledigt. Alle setzen
sich zurück an die runden Tische mit den ewigen Reserviert-Schildern
oder machen sich schweigend einen Kaffee am Jura-Vollautomaten der
Agentur-Gemeinschaftsküche.
Wenn D. dann, wie letzten Winter in der Gemeinde Mittelstetten etwa
40 Kilometer vor München, rausrutscht, er sei Künstler, ist langes,
lautes und unsicheres Gelächter angesagt. „Aha“, sagen sie dann meist.
„So wie der Picasso.“ „Und was malst du dann so?“
N. sagt, Menschen
haben Vorstellungen von Arbeitswelten, die irgendwann mal festgelegt
wurden und die sich durch Kinderbücher und öffentliche Wiederholungen in
die Gehirne einschleifen. Das ist nicht schlimm. Ich habe spezifische
Vorstellungen von der Arbeit, die Tischler*innen, Busfahrer*innen und
Wirtschaftsprofessor*innen jeden Tag verrichten. Auch sie sind
wahrscheinlich selten realistisch. Kunst als Beschäftigung ist
allerdings insofern ein Sonderfall, dass diese Beschäftigung in der
Common-sense-Erzählung nicht so sehr als Arbeit gilt: Eine Gesellschaft
(also eine Einheit von Steuerpflichtigen) leistet sich Gruppen von
Menschen, die zwar nicht richtig arbeiten, an deren exzentrischem Leben
man aber irgendwie doch ein exotisches Interesse hat. Wenn diese
fiedelnden Freundchen sich aber, wie D. und ich, als langweilige
Schreibtisch-Künstler entpuppen, ist die Enttäuschung groß: keine großen
Gesten, keine Leiber voller Farbe, kein Blut, keine Dresche.
Hier können wir mindestens zwei Problemfelder der Kunst erkennen:
1. Niemand würde auf die Auskunft von D. feststellen: „So wie Hito
Steyerl.“ Die Malerei, und hier vor allem die Malerei der Vergangenheit,
ist universelle Kunstvorstellung geworden. Das liegt zum Beispiel an
der eigenen romantischen Erzählung ihrer Handwerklichkeit und dem
Stellenwert, den Handwerklichkeit in der patriarchalen deutschen
Kultursaga hat. (Hito Steyerl kann hier mit ihren super zeitgenössischen
Großinstallationen nicht wirklich als Beispiel für eine langweilige
Schreibtisch-Künstler*in herhalten.)
2. Am Primat syphilitischer und
kolonial-geschwollener Malerfürsten, deren romantische, zynische
Ergüsse als Kunstdrucke in den Wohnzimmern der Republik haben die
Vorstellung von Hochkultur geschmiedet.
D. hat dann schweigend und sehr unpräzise eine Zeichnung auf die Tafel
mit den Skat-Ergebnissen gekritzelt. Wir sind dann hoch ins Zimmer,
fernsehen. Vielleicht zeigen sie ja heute was von Hito Steyerl.