Promotionsvorhaben Stephan Köhler
Arbeitstitel: Tribunal der Dinge. Die Assemblagen als Schauplatz bei Georges Adéagbo.
Betreuung: Prof. Dr. Michael Diers, Prof. Dr. Petra Lange-Berndt
Georges Adéagbo (*1942 in Cotonou, Benin) schafft orts-spezifische Assemblagen mit einer Vielzahl von Dingen und selbstverfassten Texten. Bei Vorbesuchen am Ausstellungsort sammelt er Dokumente und Fotos, welche er in Benin von seinem Handwerkerteam in Bilder und Plastiken umsetzen lässt.
Er vernetzt diese in der Assemblage mit lokalen Fundsachen zu seiner Darstellung einer Gesellschaft, die er besucht. Er vertauscht somit die hegemonialen Rollen der Entdecker und der Entdeckten und befragt als künstlerischer Archäologe und Spurensammler epistemische Prozesse in Form von diskursiven Wissenschaften wie Ethnologie, Anthropologie und Geschichtsschreibung. Er hat unter anderem auf der Johannesburg Biennale 1997, Sao Paulo Biennale 1998, 48th und 53rd Venedig Biennale, documenta 11, Harald Szeemann’s Belqique visionnaire 2005 und Shanghai Biennial 2016 ausgestellt.
Meine Dissertation untersucht zum einen aus produktionsästhetischer Sicht wie Adéagbo seine Assemblagen komponiert, für diese zahlreiche Dinge sammelt und neue Bilder und Skulpturen in Auftrag gibt, als auch aus rezeptionsästhetischer Sicht wie die Betrachter mit Adéagbos Einladung zum Lese- und Schauspiel in seinen dicht bestückten Räumen in einem Meer von Impulsen umgehen. Da er weder die Quellen der Bilder, welche er in Benin von Schildermalern umsetzen lässt, noch die Titel und Autoren der Texte erwähnt, welche er passagenweise in seine Texte aufnimmt, werden Adéagbos Strategien der Aneignung, des Sammelns und Verwandelns untersucht und beschrieben.
Zahlreiche Produktionen und Ausstellungsaufbauten sowie das Verhalten von Besuchern wurden vom Verfasser protokoliert und dienen als Ausgangspunkt für die Analyse der Assemblagen und deren Wirkung. Es wird untersucht inwiefern Adéagbos tägliche Praxis auch unabhängig von Ausstellungsvorbereitungen Assemblagen im Atelier und Hotelzimmern auszulegen, die Basis für die letztendlich in einem Museum ausgestellte Werke ist. Ich stelle zur Diskussion ob im Sinne von Bruno Latour’s symmetrischer Anthropologie und Akteur Network Theorie Dinge und Texte lediglich passive Opfer von Adéagbos Vernetzungen sind, oder ihre Biographie es beinhaltet, auf Adéagbo zu treffen.
Es geht mir in dieser Arbeit darum, die verschiedenen Ebenen von Intertextualität und Interpiktorialität im Werk von Georges Adéagbo zu identifizieren und zu diskutieren. Das Vorgehen des Künstlers wird an Hand der wichtigsten Arbeiten und einer rezenten Installation beschrieben, um zu sehen, ob und wie er durch die Verbindung von Schrift und Bild, durch Bezüge von Bild zu Bild, und von Text zu Text, d.h. der multiplen Verknüpfung von interpiktorialen und intertextuellen Aspekten im Werk ein „Mehr“, eine Wirkung erzeugt, die sich nicht mehr auf die Summe der Eigenschaften und Wirkungen von einzelnen Texten und Bildern zurückführen lässt. Seine Praxis wird historisch eingeordnet und mit anderen Künstlern, die intermediär, intertextuell und sammelnd arbeiten, verglichen. Dieses Dissertationsprojekt setzt bestehende theoretische Positionen nur ein, wenn sie das Verständnis Adéagbos erleichtern, aber nicht um das Werk Adéagbos zu legitimieren. Es wird versucht, neue theoretische Instrumente an der Schnittstelle von Literatur- und Bildwissenschaft zu entwickeln, um Adéagbos Arbeit gerecht zu werden, die sich dann eventuell bei der Betrachtung ähnlicher intermedialer Werke anwenden lassen.
Vita:
Stephan Köhler (*1959 in Hamburg) lebt und arbeitet in Cotonou (Republik Benin) und Hamburg. Er hat zunächst Bildende Kunst bei der Cooper Union New York und an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien studiert, danach einen Master in Kulturwissenschaften an der Universität Hagen gemacht. Auf Anregung von James Lee Byars ging er 1986 nach Japan, wo er zunächst dessen Spuren folgend Projekte mit traditionellen Handwerkern machte. Zum Beispiel ließ er 1991 in Tokyo einen Tag vor Christos Schirmprojekt 1001 Papierschirme auf dem kaiserlichen Burggraben als Urban Painting schwimmen.
Er arbeitete viele Jahre als curator at large für das Toyota Municipal Museum of Art, und kuratierte zum Beispiel die erste Roman Opalka Ausstellung in Japan. 2005 gründete er mit Hamburger Freunden den Verein Kulturforum Süd-Nord e.V., der regelmäßig KünstlerInnen für Workshops und Ausstellungen nach Benin einlädt, und Projekte West-Afrikanischer KünstlerInnen im Ausland fördert. Zum Beispiel in Hamburg „Inverted Space“ mit Georges Adéagbo, eine Installation in einem Glaskubus auf dem Altonaer Balkon.