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Die Mannschaft
Die WM steht an und für mich als Barkeeper, ist das die schlimmste Zeit des Jahres. In unmittelbarer Fanfest-Nähe ist die Wahrscheinlichkeit hoch, Abende lang ausschließlich Menschen mit schwarz-rot-goldenen Afro-Perücken und ebenso gefärbten tahitianischen Blumenketten zu bedienen. Es ist nicht mein Laden, sonst würde ich diese langen 4 Wochen einfach dicht machen. Die Afro-Perücke ist das rassistische Allzweck-Werkzeug deutscher Spaßkultur. Ob Neon-Orange zum Schlagermove, Schwarz-Rot-Gold zu Zeiten nationaler Ekstase oder silbrig-schwarz zu den Harley-Days: Es geht um die koloniale und mystische Aneignung der unterstellten Lebensfreude der vermeintlich „Anderen“. Das diese „Anderen“ zeitgleich mit Kabelbindern verschnürt, um 3 Uhr in der Früh von der Polizei in Abschiebeflugzeuge gesetzt werden, tut der Verklärung ihrer Lebensfreude keinen Abbruch. Es ist wahrscheinlich sogar zwingend notwendig, dass diese Projektion nicht von irgendeiner Realität zerbrochen wird. In Zeiten, in denen überall die „Konservative Revolution“ propagiert wird, ist auch der Versuch, den Wettstreit der Nationalstaaten positiv zu besetzten, kontraproduktiv. Das mögen Peter Sloterdijk, Marc Jongen, Joseph Beuys und vielleicht Ai Weiwei anders sehen, und anscheinend ist die Blindheit für die Geschichte und die Autonomie der Migrationsbewegung der Menschen und das soziale Potenzial, welches von ihr ausgeht (siehe dazu die Ausstellung „Zwei Millionen Jahre Migration“ im Archäologischen Museum Hamburg), eine notwendige Grundbedingung für die Erzählung der x-beliebigen nationalen Stringenz und die Rechtfertigung für harte Grenzregime weltweit. Denn die Kraft dieser Bewegung, die Tag für Tag die Nationalstaaten und die Sinnhaftigkeit ihrer Grenzen in Frage stellt, ist nicht nur Elend und Not sondern auch ein progressiver und ermächtigender Moment der Geschichte. Menschen werden sich bewegen, egal wie sehr sich die Nationalstaaten abschotten. Als Barkeeper kann ich für mich nur hoffen, dass zumindest der schwarz-rot-goldene Trubel bald aufhört, am besten direkt in der Gruppenphase.