Die neue Tresen-Kolumne auf rhizome.hfbk.net: Der Winter kommt bestimmt
Dieses Jahr habe wir einen heißen Sommer. In den dunklen Keller, in dem mein Tresen steht, verirren sich deshalb nur sporadisch Menschen. Viele wollen einfach kurz aufs Klo und danach wieder schnell nach draußen - dahin, wo die Anderen sind. Der Sommer war und ist immer eine scheiß Zeit für Bars. Auf St. Pauli formiert sich inzwischen der Protest der Barbetreiber*innen gegen die Kioske und ihre Besitzer*innen. Diese Kioske versorgen all die Menschen mit Getränken, die den Bars so sehr fehlen, müssen dazu aber keine Konzession bezahlen und auch keine Toiletten stellen. Ich kann den Frust mancher Barperson verstehen, aber: es bleibt ein interner Kampf des Kleinkapitals. Der Streit für oder gegen das Cornern wird emotional geführt, auch abseits von der obligatorischen Bar vs. Kiosk Debatte. Menschen, deren Meinung ich sehr schätze, bekommen ganz leuchtende Augen, wenn sie mir vom demokratischen und widerständigen Potenzial erzählen, das so eine freitägliche Sitzblockade in den Menschen entzünden kann. Andere Menschen, deren Meinung ich sehr schätze, bekommen Schweißausbrüche und ganz rote Backen vor Zorn, wenn sie den Begriff „Cornern“ schon hören. Die Menschen, die am Grünen Jäger cornern, seien doch alle aus den wohlhabenden Randbezirken und kämen nach St.Pauli, um der dort wohnenden Arbeiter*innenklasse das Leben nun zur Gänze zur Hölle zu machen. Ich bin unentschlossen. Ich glaube zum Einen nicht, dass auf St. Pauli „die Arbeiter*innenklasse“ wohnt, sondern eher Kleinfamilien aus den wohlhabenden Randbezirken, kann aber auch mit viel Vorstellungskraft kein demokratisches Potenzial daraus ableiten, dass junge, gut gekleidete Menschen auf 100 Quadratmeter Bordstein sitzen. Es wird halt ein Ort wie viele daraus. Wie jedes Festival und jeder Club: Orte für eine Gruppe Menschen, deren Möglichkeiten und Privilegien sie eher nie vor Probleme gestellt hat. Also alles beim Alten. Ich mach dann mal die Bar auf. Der Winter kommt bestimmt.