2014/02/06: Daniel Frese Preis 2014 für Dirk Meinzer
Der HFBK-Absolvent Dirk Meinzer (Diplom 2004) ist einer von drei Künstlerinnen und Künstlern, die Ende Januar mit Daniel Frese Preis 2014 ausgezeichnet wurden, der zum Thema »Leidenschaft« ausgeschrieben war. Die Preisverleihung fand am 30. Januar 2014 im Huldigungssaal des historischen Rathauses der Hansestadt Lüneburg statt. Es beherbergt zahlreiche Werke jenes Malers der Spätrenaissance (1540–1611), Daniel Frese, dem der im Jahr 2011 lancierte Preis für zeitgenössische Kunst gewidmet ist.
Dirk Meinzer erhielt die Auszeichnung für seinen Entwurf »Eros und die Bienen«. Die Jury zeigte sich überzeugt von seinem Vorschlag und begründet ihr Urteil: »Dirk Meinzer hat besonders die Intensität künstlerischen Schaffens im Blick, wenn er unzählige Bienen, die ihm, weil gestorben, von einem Imker aus der Gegend hier überlassen worden sind, zum Tanzen bringen will. Hierfür kreiert er eine Art tableau vivant, auf dem die Bienenflügel wie Blumenblüten ihre Leuchtkraft entfalten.«
Dabei zum Einsatz gekommene phosphoreszierende Stoffe zeigen tagsüber eine fade Farbgebung, während sie im Dunkeln Energie in Form von Strahlung, einem Nachleuchten, abgeben. Materialien – natürliche, etwa animalischen oder vegetabilen Ursprungs, ebenso wie anthropogene – stellen einen Ausgangspunkt von Meinzers künstlerischer Praxis dar. Sie finden sich, auf ihre vielfältigen Verwandlungsmöglichkeiten hin untersucht, in ganz eigenen Orchestrierungen wieder. Die teils »magischen« Verbindungen, die sie darin eingehen, erschöpfen sich jedoch nicht in der schieren Präsenz von Objekthaftigkeit. Vielmehr transzendieren sie ihr Jetzt durch die ihnen eigenen »Leiden(schafts)sgeschichten« einem Prisma gleich: Im vorliegenden Entwurf etwa spielt der Titel auf die griechisch-römische Mythologie an, die historisch von Poesie und Bildender Kunst gleichermaßen aufgegriffen wurde. Bekannt ist das Motiv des von einer Biene gestochenen Amor, das in Werken von Lucas Cranach d. Ä., Albrecht Dürer oder Clemens von Zimmermann verarbeitet wurde, aber auch in der Tradition einer bestimmten Lyrik, der Anakreontik, durch Ludwig C.H. Hölty oder Gotthold Ephraim Lessing. Farbfeldartige Abstraktionen, die der Künstler seinen Collagen zugrunde legt, verweisen zudem auf sein genuines Feld, die Kunst selbst.
Mit den toten Bienen abgenommenen Flügeln ruft Meinzer nicht nur »Natur« und Faszination für ihre Schönheit an, sondern im Sinne eines abjektiven Verhältnisses auch Abscheu und Ekel vor ihr und damit zugleich kulturtheoretische, psychoanalytische Diskurse. Strukturen heimlich oder verschlüsselt ausgetragenen Begehrens – die nachts tanzenden Bienen, der seinerseits gestochene Amor, das künstlerische Pathos überhaupt – lässt Meinzer so kontrolliert implodieren. Davon zeugen zudem ironisch-dekorative Kommentare, in denen vergleichbare seiner tableaux zum »femininen« Interieur mutieren, etwa in ein Fensterbild-im-Bild, einen schwebenden Duschvorhang oder einen mit Blütenaufklebern verzierten Rechner. Leidenschaftlichkeit wird in lakonischer Geste auf ihren Platz als Phänomen des Alltags, gar abstoßenden Kitsches verwiesen. Sie kann nur in der »Kunst« bleiben, insofern diese sich stillschweigend dem Bruch mit dem Sakrosankten hingibt, um Ambivalenzen von Begehren und Abscheu, künstlerischem Pathos und Nippes zu durchleben und gerade damit Leidenschaftlichkeit einer angemessenen Kritik auszusetzen. – »Libido artistica«, Abjektion und Kitsch präsentieren sich als zarte Tafelbilder. Die Jury schließt ihre Einschätzung mit den Worten: »Meinzer bezieht sein found footage aus der Lüneburger Landschaft, um diese – in neuer, beinahe lebendiger Form – ihre eigenartig-faszinierende Wirkung sich entfalten zu lassen.«
Dirk Meinzer, 1972 in Karlsruhe geboren, lebt und arbeitet in Deinste und Hamburg. Er diplomierte 2004 an der HFBK Hamburg bei Claus Böhmler. Zuvor hatte er in Berlin einige Semester Betriebswirtschaftslehre und Philosophie studiert. Zwischen 2010 und 2011 nahm Meinzer einen Lehrauftrag an der HFBK Hamburg wahr. Der Künstler war u.a. HAP Grieshaber Stipendiat in Reutlingen (2011), bezog ein Atelier- und Arbeitsstipendium der AZB Zürcher Bildhauer (2010), erhielt ein Atelierstipendium im Goldbekhaus, Hamburg (2008) und ein Hamburger Arbeitsstipendium für Bildende Kunst (2007). Außerdem wurde er als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert, darunter mit einem Reisestipendium für einen Aufenthalt in Tansania, den er für eigene Studien nutzte (2000–2004 und 2006). Arbeiten Dirk Meinzers waren bislang zu sehen u.a. im Kunstmuseum Stade, in der Galerie St. Gertrude Hamburg, der Städtischen Galerie Reutlingen, der Galerie Feldbuschwiesner Berlin, im message salon in der Perla-Mode Zürich (CH), in der Galerie Olaf Stüber Berlin, im Van Abbemuseum Eindhoven (NL), in der Kunsthalle Göppingen, im Kunstverein St. Pauli Hamburg sowie der Galerie Oel-Früh Hamburg; mit der Gruppe friends and lovers in underground war er zudem präsent u.a. im 59 Rivoli Paris (F) und im Kunsthaus Jesteburg.